November 1, 2021

Fahrt zur Zugspitze

„Einmal Ostfriesland – Zugspitze – und zurück!“

Was ist der totale und ultimative Gegensatz zu Ostfriesland? Klar,… die Zugspitze. Aus dieser etwas komischen Betrachtung entstand eine irre Idee.

Wenn sich eine Idee entwickelt und sich irgendwann im Kopf breitmacht, muss man es tun. Also so wurde aus der Spinnerei ein echter Plan. Allerdings bin ich nicht der Planungs-Fan, eher spontan und mit leichtem Gepäck, daher habe ich mir erstmal mit der Karte eine grobe Skizze gemacht, wie die Tour aussehen könnte und welche Etappen ich fahren würde. So kamen die Tagesetappen zustande. Rhauderfehn – Düsseldorf – Sinsheim – Nagold – Kaisersbach – Obersöchting – Vaterstetten – Nürnberg – Erfurt – Barsinghausen – Rhauderfehn.

Der Grund mancher exotischen Orte war ganz einfach. Dort habe ich Bekannte und Freunde, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe und wir uns auf ein Wiedersehen freuten. Andere kannte ich nur „online“ und so war es ebenfalls spannend, sich zu treffen.

Maßgeblich bei der Route waren nur die Endpunkte. Die Tour selbst lief ganz einfach nach Navi mit der Option „ohne Autobahn“. Völlig ohne Plan.

Los ging es am Freitag, den 18. Juni 2021 gegen 13 Uhr. Gepackt war schnell. Ein paar Wechselklamotten, etwas Werkzeug und ein Schlafsack und ab ging es zur ersten Etappe nach Düsseldorf.

Ich war sehr gespannt, wie sich das so entwickeln wird. Hält der Minion? Stunden im Sattel, hält der Hintern? Was macht das Wetter? Ich hatte die Tour ja um eine Woche wegen Dauerregen nach hinten verschoben. Jedenfalls hatte ich am Tag der Abfahrt ca. 34 Grad!

Tag 1 Freitag, Ziel Düsseldorf (280 km)

Die ersten Kilometer waren ja angespannt, aber von Kilometer zu Kilometer wurde ich entspannter und konnte so anfangen, die Fahrt zu genießen. Es ging dann durchs Emsland an Meppen, Lingen vorbei und über Dorsten ging es dann durch Duisburg. Also hier richtig im Pott, riesige Fernwärme-Rohre, Dönerbuden. Laut, hektisch und heiß. Uff, 38 Grad und der Gestank einer Industriestadt. Habe mich dann trotz Navi verfahren und bin dann ein kleines Stück über die Autobahn (A3 und dann die A44). Viel war zum Glück nicht los und so war sogar die Autobahn recht entspannt. Zumindest wusste ich wieder, wo ich war.

Gegen 18 Uhr kam ich dann in Lichtenbroich an und dann ging es erstmal zum leckeren Essen. Griechisch. Es war ein sehr schöner Abend und die erste Etappe geschafft. Der erste Tag war dann doch sehr aufregend.

 

Tag 2 Samstag, Ziel Zuzenhausen (380 km)

Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es dann auf die längste Etappe der Tour. Tagesziel Zuzenhausen (bei Sinsheim, oder Hoffenheim, für die Fußballer). Also los und immer am Rhein entlang Richtung Köln, Bonn, Neuwied. Irgendwie klang der Motor etwas anders, also beschloss ich (und mein Hintern), mal eine kleine Pause einzulegen. Ich fand ein schönes Waldstück und fuhr etwas in den Schatten. Pause! Auf dem Bild lachte ich noch, das verging aber schlagartig.

Denn, als ich wieder den Motor startete, kam mir der Klang doch etwas lauter vor. habe dann nachgeschaut und gemerkt, dass am Auspuffflansch zum Zylinder kräftig Abgase rausgepustet wurden. Aha, also Dichtung kaputt. Na, das kann ja interessant werden. Ich bin dann losgefahren und nach 300 Meter wurde es dann richtig laut. Wahrscheinlich ist dabei das letzte Stück Dichtung weggeflogen. Klasse! Ich habe dann nochmal angehalten und genau nachgeschaut. Mist! Nicht nur die Dichtung war weg sondern auch die beiden Krümmer Hutmuttern, und diese sind M7, was ein Zwischenmaß ist. Selber schuld. Vor der Tour habe ich eine neue Krümmerdichtung eingebaut. Man muss unbedingt dann nach ca 100 km die Bolzen nachziehen, weil die Dichtung konstruktiv platt wird und damit die Schrauben die Spannung verlieren.

Also keine Chance, diese unterwegs zu besorgen. Katastrophe. Ich bin dann mit einem sehr lauten Roller durch Ahrweiler, Worms, Wiesbaden, Ludwigshafen und Mannheim gefahren. Ich wusste nicht, dass ein kleiner 125er so laut sein kann!

Irgendwo hinter Ahrweiler fuhr ich hinter einer Gruppe Harley Davidson Fahrer. Jedes Mal, wenn mein Minion eine Fehlzündung hatte und der Auspuff knallte, drehten sich mindestens zwei bis drei Harley Fahrer um und schauten an ihren Mopeds runter, ob bei ihnen was am bröseln war. Das war wirklich lustig.

Die Fahrt war die Hölle und 38 Grad Temperatur halfen auch nicht, die Laune zu heben.

Dann gegen 19 Uhr in Zuzenhausen bei meinem Bruder angekommen. Wir sind erstmal in den Baumarkt gefahren und haben eine Auspuffdichtungs-Paste gekauft. Wieder Zuhause bei meinem Bruder habe ich den Roller abgedichtet und dann gab es lecker Abendessen. Der Tag war dann gerettet und wir hatten einen schönen Abend mit tollen Gesprächen. Aber ich war nach diesem Tag echt k.o. und froh, dann gegen 23 Uhr ins Bett zu kommen.

 

Tag 3 Sonntag, Ziel Nagold (180 km)

Die erste Handlung des Tages (nach einem Kaffee) war die Prüfung, ob die Reparatur und Abdichtung funktioniert hat. Und oh Wunder, der Auspuff und Krümmer waren dicht. Das hob meine Stimmung erheblich. Ab zum Frühstück.

Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es dann über Ettlingen und Rastatt nach Sandweier, um meinen anderen Bruder zu besuchen. Ein Zwischenstopp mit sensationellem Espresso gab es in Ettlingen bei Herrn Riedel, der mir mit seiner Ape einen echten Hingucker vorstellte. Weiter ging es dann nach Sandweier zur Familie. Dort gab es lecker Bruschetta und wir sprachen über Gott und die Welt. Mein Neffe war auch da und so hatten wir auch ein schönes Wiedersehen nach doch einiger Zeit.

   

 

Anschließend ging es Richtung Nagold. Meine favorisierte Route über Kaltenbronn konnte ich leider nicht nehmen, da diese wegen Bauarbeiten gesperrt war. Also ging es über Ebersteinburg (Foto) nach Gernsbach, Bad Herrenalb, Altensteig und dann nach Nagold. Was für eine wunderschöne Strecke und das Wetter war top. Dort traf ich dann nach Jahren meine liebe Freundin Beate und Ihren Mann Peter. Und den leckeren Smoker 🙂 Auch hier wurde bis spät in die Nacht gequatscht, wir hatten uns so viel zu erzählen.

       

 

Tag 4 Montag, Ziel Kaisersbach (190 km)

Nach einer sehr kurzen Nacht war das Etappenziel für heute Kaiserbach zu Harald. Harald war schon informiert und hatte die passende Dichtung und Bolzen parat. Aber aufgrund einer spontanen Idee rief ich im Balsaminenhof bei Gela und Thilo an. Die beiden hatte ich schon seit 15 Jahren nicht mehr gesehen und wollte schauen, ob sie da sind und auf einen Kaffee Zeit haben. Alles passt und dann ging es nach Filderstadt-Bonlanden. Die Freunde war riesig und ich war froh zu sehen, dass sich nicht viel verändert hat. Es war fast wie ein bisschen nach Hause kommen. Der beste Pferdehof aller Zeiten ist es noch immer.

 

Weiter ging es dann über Filderstadt, Esslingen nach Kaisersbach, was das heutige Ziel war. Dort angekommen gab es erstmal von Harald einen Kaffee, bevor wir dann die Krümmerbolzen und Auspuffdichtung ersetzen. Ich hatte ja vor der Fahrt die Dr. Pulley Gewichte verwendet. Da diese eher für eine Verschlechterung der Leistung sorgten, wurde diese dann auch wieder durch die Original-Gewichte ersetzt. Damit fuhr der Minion deutlich besser und der Anzug am Berg war auch besser.

Abends wurde dann lecker gegrillt bis der Regen einsetzte und Benzingespräche bis tief in die Nacht geführt.

Tag 5 Dienstag, Ziel Zugspitze dann Obersöchting (380 km)

Am nächsten Morgen ging es dann nach einem tollen Frühstück zusammen mit Harald und seinem 250er Richtung Grainau, also der Talstation der Zugspitze. Unterwegs prüfte ich nochmal die Krümmerbolzen und das war auch gut so, denn es war schon wieder etwas „Luft“ nach oben. Man wird ja schon paranoid.

Leider musste Harald wieder zurückfahren und wir konnten nicht gemeinsam zur Spitze hoch, da es schon nach 16 Uhr war und die letzte Bahn gefahren ist. Also ging es dann für Harald nach Hause (Tagesetappe für ihn respektable 600 Kilometer!!) und für mich zum Abendziel Günther nach Obersöchting, was ca. 40 Kilometer von der Zugspitze entfernt ist.

Günther empfing mich herzlich und einer typisch bayerischen Brotzeit, Leberkäs‘ und Brezeln. Wir hatten uns dann noch sehr gut unterhalten. Günter ist ein begnadeter Tierfotograf und so gibt es auch immer wieder zu spannende Geschichten.

Irgendwie war ich aber nicht ganz zufrieden. Ich war zwar An der Zugspitze aber nicht AUF der Zugspitze. Also war das Hauptziel nicht erreicht. Das Wetter war eigentlich gut aber bewölkt. So beschloss ich, doch nochmal nach Grainau zu fahren und dann hoch auf den Berg.

Tag 6 Mittwoch, Ziel Zugspitze, Vaterstetten (120 km)

Gedacht, getan und so stand ich ca. 1 Stunde später wieder an der Talstation. ich hatte ja beschlossen, dass der Minion auf die Zugspitze soll, nur darf man ja mit dem Roller nicht auf die Zugspitze. Kurz nachgedacht und dann habe ich die Fronthaube abgeschraubt und einfach unter den Arm geklemmt. So kam dann der Minion doch auf die Zugspitze. Das war ein Heidenspaß und hat sehr zur Belustigung einiger anderer Gäste beigetragen.

Ich hatte dann oben noch einen Kaffee oben getrunken und bin ein wenig herumgelaufen um mir die Gegend anzuschauen. Ich war sehr überrascht, wie dünn die Luft ist. Man atmet, aber „es kommt nichts rein“. Dann ging es mit der Zahnradbahn wieder talwärts.

Nachdem ich dann den Minion wieder zusammengebaut hatte, ging es dann weiter über Garmisch-Patenkirchen, Bad Tölz, Murnau nach Vaterstetten, dem heutigen Tagesziel. Dort hatte ich ganz langjährige Freude besucht und wir waren abends lecker essen beim Italiener.

 

Tag 7 Donnerstag, Ziel Nürnberg (220 km)

Am nächsten Morgen ging es dann Richtung Nürnberg. Die Fahrt war ein Traum. Das Wetter super und der Roller lief sehr gut. Leider hatte ich beim Öl kontrollieren nicht aufgepasst, der Roller kippte zu Seite und die Scheibe bekam einen Riss. Das hat mich sehr geärgert, weil diese Scheibe so gut wie nicht zu bekommen ist. Zwei freundliche Damen an der Tankstelle haben mir dann mit durchsichtigem Klebeband ausgeholfen, sodass ich die Fahrt weiter fortsetzen konnte. Die Etappe ging über Pfaffenhofen, Ingolstadt, Neumarkt i.d.Oberpfalz. Ich hatte in Nürnberg ein BNB Zimmer gebucht.

Eigentlich wollte ich noch nach Nürnberg rein und ein wenig durch die Fußgängerzone laufen, aber das Wetter war sehr regnerisch und auch sehr windig. Ich habe dann beschlossen, früh ins Bett zu gehen. Habe noch ein wenig gelesen und dann schon das Licht ausgemacht.

 

Tag 8 Freitag, Ziel Erfurt (260 km)

Am Donnerstag morgen ging es dann Richtung Nord-Osten über Bamberg, Coburg Richtung Erfurt. Der Motor machte mir dann doch etwas Sorgen, weil er anfing, zu tickern und auch viel Luft aus der Kurbelwellenentlüftung pustete. Eigentlich ein Zeichen für entweder Ventile defekt oder Kolbenringbruch. Nicht toll, aber er läuft. Vor meinem Ziel Erfurt machte ich noch einen Spontanbesuch bei Steube in Weimar.

Wir kannten uns nicht persönlich sondern „nur“ über das Honda Board und so freute ich mich über lecker Kaffee und Kuchen (warteten den Regen ab) und wir haben neben den Rollern auch das gemeinsame Hobby Musik. Sicher werden wir uns mal wieder treffen. Als es dann aufhörte zu regnen, machte ich mich auf nach Erfurt zu Ermel, meinem Schrauber Freund. Er erwartete mich schon mit Schnitzel, Pommes und Salat und danach machte ich mich an den Ventilen zu schaffen und stellte diese neu ein. Gebracht hat es nicht viel. Trotzdem hatten wir einen schönen Abend und viel Austausch über Roller, Technik und wie macht man aus einem Aprillia eine Spacy.

Tag 9 Samstag, Ziel Barsinghausen (250 km)

nach dem Frühstück ging es dann Richtung Ziel Barsinghausen zu Wilfried. Der Roller machte mir echt Sorgen und der Ölverbrauch ging rapide nach oben. Trotzdem lief er und die Tour durch den Harz war atemberaubend.

 

Doch dann der Schreck bei Bad Lauterberg, als mir der Roller plötzlich mitten auf der B 27 einfach ausging. Super! 4-spurige Bundesstraße und kein Pannenstreifen. Saugefährich! Ich hatte dann den Roller auf einen gesperrten Parkplatz geschoben und machte erstmal Pause. Es war sehr warm und stickig und der Roller tot. Man muss wissen, dass die Spacy keinen Kickstarter hat. Also lange oder oft den Anlasser betätigen ist nicht zielführend, weil eine leere Batterie das Ende bedeutet. Ich fand schnell heraus, dass kein Benzin in den Vergaser kam. Meine Vermutung lag in einem verstopften Schlauch und so überbrückte ich kurzfristig den Benzinhahn und der Vergaser lief voll. Der Minion startete wieder und ich konnte mein Fahrt fortsetzen. Nach genau 300 Metern stand ich wieder. Das war nämlich genau eine Füllung an Benzin im Vergaser. Und wieder stand ich auf der Bundesstraße. Gott sei Dank habe ich dann schnell die Ursache gefunden. Der Unterdruckschlauch vom Benzinhahn war abgerutscht und so kam kein Sprit ohne Unterschied der Hahn automatisch schließt  Also kleine Ursache, große Wirkung. Schnell drauf gesteckt, der Minion startete ohne Probleme und weiter ging es Richtung Goslar über Hildesheim nach Barsinghausen, wo mich Wilfried erwartete.

Abends gab es Wild auf dem Grill und mit Freunden von ihm hatten wir einen tollen Abend mit spannenden Gesprächen.

 

Tag 10 Samstag, Ziel Rhauderfehn (240 km)

Am nächsten Morgen haben wir noch die Vincent Baujahr 1951 von seinem Freund bewundert. Er repariert alles selbst und das ist in Abetracht der Rarität echt eine Leistung.

Nach erneutem Öl auffüllen ging es dann Richtung Heimat. Wilfried fuhr noch ein Stück mit und so hatten wir noch zusammen das Steinhuder Meer besucht. Also der Motor machte mir echt Sorgen denn der Ölverbrauch war sehr hoch. Dann ging die Wassertemperatur ebenfalls in die Höhe.

Das war dann der Punkt, wo ich wirklich gerne einfach nur noch nach Hause wollte. Es war mir dann auch völlig egal, ob der Motor vor der Haustür explodieren würde.

Also habe ich mir den nächsten McDonald’s gesucht, um dort einen ordentlichen Kaffee zu trinken.

Und siehe da, Werbung mit den Minions. Jetzt fühlte ich mich nicht mehr ganz so allein und hoffnungslos, weil die gelben kleinen Chaoten einfach mit dabei waren. Das musste natürlich auf’s Bild.

Um die Mittagszeit erreichte ich dann wieder Rhauderfehn und die Tour war auf eigenen Rädern komplett gefahren. Der Motor ist vor der Haustür natürlich nicht explodiert.

Missetat begangen!

Mein Fazit:

Eine Idee wird erst dann verrückt, wenn man sie umsetzt. Man kann planen und versuchen, alle Faktoren zu beeinflussen. Man kann es aber auch sein lassen und einfach losfahren. Je mehr man plant, desto mehr kann schief gehen. Aber am Ende muss man einfach machen und das, was dann passiert, genießen. Oder eben reagieren, wenn etwas kaputt geht. Und wenn was kaputt geht, auf keinen Fall in Panik oder in Hektik verfallen. Erstmal durchatmen, Päuschen machen und sich runterbringen. Ich mache mir aber vorher keine Sorgen, sonst kann ich es gleich bleiben lassen.

Die meisten Reisen scheitern am Losfahren.

Es war eine tolle Reise. Ich habe viele gute Freunde, die ich schon Jahre nicht mehr gesehen habe, getroffen und eine tolle Zeit verbracht. Durch die Fahrt mit dem Roller war wirklich das Reisen das Ziel und gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit eine totale Entschleunigung. Man ist mit den Gedanken bei sich und auf der Straße und lebt irgendwo in seiner eigenen Geschwindigkeit.

Ich hatte ein enormes Glück mit dem Wetter. Tagsüber war es trocken Eigentlich war es fast zu heiß. Abends oder nachts regnete es oder ein Unwetter zog übers Land. Aber im Nachhinein gesehen war das vom Wetter mit die beste Woche im Jahr. Nach knapp 2.600 Kilometer kann ich sagen,…. das war nicht die letzte Tour!

P.S. ja. Ich hatte meinen Rasierer vergessen

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